Lalülala, der Wahlomat ist da…

August 29th, 2013

(Für Vielbeschäftigte siehe unten unter “tl,dr:” (too long, didn’t read 🙂 ) !

Alle Jahre wieder dürfen wir uns unsere Richter und Henker…eh, politischen Positionslichter und Denker wieder neu erwählen. Leider ist es so, dass wie immer die Posterplakate der Parteien nicht durchweg geeignet sind, sonst eher politikuninteressierten, aber dennoch wahlbereiten Personen einen Tipp zu geben, an welcher Position auf dem Zettelchen ihre Kreuzel sich wohl am wohlsten fühlen würden.


Aber zum Glück gibt es ja jede Wahl aufs Neue den guten alten Wahl-o-maten, der seit heute geschaltet ist und den man unter http://www.wahl-o-mat.de/bundestagswahl2013/erreichen kann.

Und für Erwachsene, das next level: Der Wahlomat der Süddeutschen mit einigen sehr interessanten Fragen: http://www.sueddeutsche.de/politik/wahl-thesentest-so-sehen-die-parteien-deutschlands-rolle-in-der-welt-1.1755119


Für die, die das noch nicht kennen: da werden einem eine Handvoll von Thesen vorgestellt, die aktuell gerade bestimmend sind für den Diskurs, und zu denen fast alle Parteien Stellung bezogen haben. Man klickt dort einfach jeweils die eigene Position zu dem jeweiligen Thema an, am Ende kann man dann noch Themen auswählen, die für einen selbst besonders wichtig sind (und somit für den folgenden Vergleich doppelt gezählt werden – sehr sinnvoll) , und darf dann bis zu 8 Parteien wählen, deren Positionen man dann mit den eigenen vergleichen kann, inklusive Prozentuale Übereinstimmungswerte.


Achtung: Die Fragen sollte man genau lesen, manchmal ist eine fiese Verneinung mit bei, die man dann gern auch mal überliest und sich dann wundert, warum scheinbare Kernpositionen von Parteien 180 Grad anders vertreten werden sollen, als man es erwartet hätte ^^.


Und was bringt der Zauber ?


Viele Menschen haben so eine diffuse bis klare Vorstellung, welche Partei am ehesten zu ihnen passt. Oftmals ist es aber so, dass eher stereotype Klischees der Wähler bezüglich der Parteien ausschlaggebend sind, so nach dem Motto “Ich mag Tiere und Picknicke gern, also bin ich ein Grünen-wähler”; oder “Ich find eine Frau als Kanzlerin toll, deshalb muss es wohl die CDU sein”.


Das hat 2 entscheidende Nachteile:


1) Keine Partei (ja, auch nicht die Piraten) lassen sich auf einen oder zwei solcher Nenner reduzieren. Allein die Anzahl der in dem Wahlomaten gestellten Thesen ist ein guter Indikator dafür, wie vielfältig die Probleme und Herausforderungen sind, der sich eine an der Regierungspartei stellen muss und sollte (zumindest wenn sie es etwas ernster meint mit der Volksvertretung…). Es gibt immer Übereinstimmungen zu einzelnen Positionen zwischen verschiedenen Parteien (ja, es gibt auch Themen bei der sich NPD und die Linke erstmal scheinbar einig sind, wenn auch aus unterschiedlichen Motivationen und mit gravieren unterschiedlichen Vorstellungen der Umsetzung). Entscheidend dafür, wie gut oder schlecht eine Partei jemanden repräsentieren kann, ist eben eher das Gesamtprofil als in der Frage, ob sie Kaninchen nun ganz besonders hasig finden oder nicht, oder ob es dringend überlebensnotwendig ist für unsere Gesellschaft, dass jedes Mitglied nur eine Staatsangehörigkeit haben darf, weil …äh…ist halt so!  Durch eine Betrachtung der Positionen auf breiterer Flur erhält man die Möglichkeit, abseits der eigenen Stereotype eventuell eine Partei zu identifizieren, die in den für einen selbst wichtigen Kernthesen ähnliche Positionen vertritt wie die eigene “Stammpartei”, aber in anderen Bereichen, an die man vielleicht nicht sofort von selbst denkt, sogar noch bessere Ideen anbieten. Und wenn man schon seinen Hintern zur Urne schleift (und es nicht die eigene ist), dann möchte eigentlich das beste für sich herausholen, oder?


2) In dem Moment, wo große Bestandteile der Bevölkerung nur “nach Tradition” wählen, haben wir es endgültig geschafft, Verhalten der Politik und Wahlkonsequenz zu trennen. Das bedeutet letztlich nichts anderes, als dass die regierenden prinzipiell machen können was sie lustig sind, da nicht zu befürchten ist, dass sich etwaige Alleingänge gegen Volkes Wille bei der nächsten Wahl bemerkbar machen würden: Die CDU-Wählerin wird CDU-Wählerin bleiben, weil wegen starker Staat, und Leitkultur und Werte und Steuern und so; der SPD-Wähler wird SPD-Wähler bleiben, egal wie wohlgemut sie Finanzmärkte dereguliert und so offensiv wie nur möglich ihre Wählerbasis ins Gesicht treten; Grüne bleibt Grüne, weil wegen die Hasis, unabhängig davon wieviel Käse sie unter Schröder lächelnd mitgetragen haben; und so weiter, und so heiter. Wenn selbst die nächste Folgewahl als Volkes Hebel dadurch ausgeschaltet wird, dass nur nach “Tradition” gewählt wird und die Inhalte, Taten und Worte keinen Einfluss mehr haben, kann man sich den ganzen Zirkus m.E.n. auch gleich klemmen und lieber eine Runde Playstation spielen in der Zeit, die man sonst für die Wahl gebraucht hätte. Auch wenn das dazu führt, dass man von Zeit zu Zeit mit der liebgewonnen, einfachen Antwort “Welches Schwein’kerl hätt’ns denn gern” brechen oder seinen Standard zumindest mal einem flüchtigen Realitätsabgleich unterziehen muss…


Achja, dasselbe gilt übrigens auch für die Leute, die spontane CDU-Fanboys geworden sind, weil wegen Mama Merkel – wer die Politik unserer Kanzlerin verfolgt hat und so auch gut findet, der möge reinen Gewissens zusammen mit “Mutti” weiter nach “einer gemeinsamen Lösung” fahnden. Wer aber nur schwarz wählt, weil die Kanzlerin so knuffig aussieht und quasipubertäre Konservativenromantik nach einer “deutschen Maggie Thatcher” weckt, der möge meiner Meinung nach einmal genau hinsehen, ob sie oder er sich letztlich davon etwas wird kaufen können, unter Berücksichtigung ihres oder seines sozialen Standes, finanzieller Realitäten und moralischen Grundsätze. Manch einer wird gestärkt in seiner Entscheidung pro Merkel  aus dem Prozeß herausgehen, jemand anderes wohl eventuell nochmal das Bedürfnis verspüren intensiver nachzudenken. In jedem Falle wird die Entscheidung dann aber eine etwas elaboriertere sein…


Und ja: mir ist so wie auch jedem anderen klar, dass Positionen im Wahlkampf nicht mal im Ansatz deckungsgleich sein müssen mit dem, was dann wirklich rumkommt, wenn die Mädels und Burschen dann mal mitmischen dürfen (Stichwort “Wahlversprecherli” ^^). Aber wo besteht die größere Chance, dass man letztlich eine Regierung bekommt, die man guten Gewissens mittragen kann und die einem nicht bei erstbester Gelegenheit nonchalant in den Rücken schiesst: wenn eine Partei zumindest in Aussendarstellung gleichsam zu einem selbst Stellung bezieht, oder wenn diese Partei kategorisch gegen die eigenen Überzeugungen (wie auch immer diese geartet sein mögen) agitiert ?

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tl,dr:


1) Der Wahl-o-mat ist da: http://www.bpb.de/politik/wahlen/wahl-o-mat/
2) Und der Wahlomat der Süddeutschen mit einigen sehr interessanten Fragen auch: http://www.sueddeutsche.de/politik/wahl-thesentest-so-sehen-die-parteien-deutschlands-rolle-in-der-welt-1.1755119
3) Die beiden können nützlich sein, weil “Traditionsentscheidungen” oftmals eindimensional sind, mit den gegebenen Realitäten in den Parteien kollidieren können und einen der wichtigsten Hebel und Kontrollmechanismus ausser Kraft setzen, nämlich die Verknüpfung von realem politischem Handeln an die Wahlentscheidung der Bürger
4) Positionen im Wahlkampf sind nicht gleich zu erwartende Handlungstendenzen nach der Wahl, aber immerhin ein FIngerzeig darauf, was man wohl eher nicht zu erwarten braucht.

 

 

This entry was posted on Donnerstag, August 29th, 2013 at 18:08 and is filed under Zaunpfahl. You can follow any responses to this entry through the RSS 2.0 feed. You can leave a response, or trackback from your own site.

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